Es war bei einem Heimattag der Banater Schwaben in Ulm, an dem auf Einladung unserer Landsmannschaft auch der Bürgersmeister der Gemeinde Lenauheim Ilie Suciu teilgenommen hat. In der Fußgängerzone bewunderten wir die schmucken Trachten der Gruppen, die ihre Tänze vorführten. Dabei kam der Gedanke auf, auch für die Tanzgruppe der Gemeinde Lenauheim eine „schwowische Tracht“ anzufertigen. Wir überlegten, wie sich diese Idee umsetzen ließe.
Ein erster Schritt wurde anlässlich eines Kulturaustausches in der Verbandsgemeinde Kirn-Land gemacht, die seit Jahren eine Partnerschaft zur Gemeinde Lenauheim pflegt. Die rumänische Tanzgruppe aus Lenauheim hatte neben ihren Volkstänzen auch Walzer und Polka einstudiert. Dafür hatte sie sich notdürftig Trachtenkleider angefertigt. Vor zahlreichem Publikum präsentierten die
jungen Tänzerinnen und Tänzer auf der Freilichtbühne die einstudierten Choreografien. Der Applaus war überwältigend. Dieser Erfolg war für die Gemeindeleitung und die Tanzgruppe Ansporn, das Ganze weiterzuentwickeln.
Der Gemeinderat plante im Haushalt Mittel ein, um je zehn „schwowische Trachten“ für Frauen und Männer anfertigen zu lassen. Da das Vorhaben professionell abgewickelt werden sollte, suchte man nach einer Person mit Fachkenntnissen und Erfahrung in diesem Bereich. Die Sache zog sich etwas hin, bis mit Edith Singer, der Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Temeswar und Leiterin der Tanzgruppe „Banater Rosmarein“, eine kompetente Mitstreiterin gefunden wurde.
Nach Gesprächen von Bürgermeister Ilie Suciu und Vizebürgermeister Denis Ianăși mit Frau Singer in Temeswar und telefonischer Beratung mit Familie Griebel in Mannheim in Bezug auf bestimmte Details der Lenauheimer Tracht ist man übereingekommen, das Vorhaben zu starten. Die Trachten sollen bis Mai dieses Jahres fertiggestellt sein und wir hoffen, dass sie auch bald getragen und präsentiert werden können. Um uns die Lenauheimer Tracht in Erinnerung zu rufen, hier eine Beschreibung aus dem Heimatbuch Lenauheim/Tschatad von Hans Bräuner (1982):
„Eng verflochten mit den Sitten und Gebräuchen ist unsere Tracht. Die Tracht offenbart in ihrer mannigfaltigen Schönheit, wie sie der Banater Heimatmaler Stefan Jäger aus Hatzfeld in seinen unzähligen Bildern festgehalten hat, unsere angestammte, von den Vorfahren überkommene Geistigkeit.
Die Männertracht
Unsere Vorfahren trugen einen dunklen Rock, eine dunkle Hose und eine hochgeschlossene Weste, dazu ein weißes Hemd mit schmalem, umgebogenem Kragen. Um den Hals wurde ein dunkelfarbiges seidenes Tuch gewunden und unter dem Kinn leicht geknotet. Der Hut war rund und schwarz, musste im Winter aber meistens einer Lammfellmütze weichen. Die Fußbekleidung bestand aus schwarzen
Lederschuhen oder aus Stiefeln. Die Tracht der Knaben wich von der Tracht der Männer nur insofern ab, als ihr Hemd eine Halskrause zierte. Im 19. Jahrhundert änderte sich das. Da viele unserer Großväter und Väter bei der ungarischen Landwehr (Honvéd) dienten, die besonders enge Hosen und sowohl an diesen als
auch an ihrem Rock Verschnürungen trug, übernahmen auch unsere ausgedienten
Landwehrsoldaten jene Bekleidung und stolzierten jahrzehntelang ebenfalls darin herum. Anstatt beinernen Knöpfen trugen sie in vielen Fällen bis zu zwei Dutzend taubeneigroße, kugelförmige Silberknöpfe an ihren hochgeschlossenen Westen. […]
Die Frauentracht
Bei der Ansiedlung trugen die Mütter und Frauen unserer Ahnen Schafwollröcke von brauner Grundfarbe, die rot und grün gewürfelt waren. Diese Röcke waren sehr stark, ja unverwüstlich. Sie reichten bis über die Knöchel. Dazu kam ein auf Glanz gerollter Unterrock. Ferner gehörte das sogenannte „Nettröckel“ dazu, worüber man ein Halstuch aus Schafwolle trug. Als Kopfbedeckung diente eine Kappe, die im Winter einer Pelzkappe weichen musste. Die Schuhe bestanden aus Leder, sofern man es nicht vorzog, Samtschuhe mit Spangen zu tragen. Später trug man unter der Jacke ein Tuch, das aus zwei Brusthälften bestand, die am Hals ausgeschnitten waren. Zum Ausgang wie auch zum Besuch der Kirche band man sich eine schwarze Schürze vor. Zwar wurden die Röcke nach der Ansiedlung etwas länger, doch es gab noch keine seidenen.
In die Kirche ging man auch in hellen Röcken. Die Kappe wurde nicht mehr getragen. Wieder später kamen dann die blumigen Seidenröcke auf. Darunter trug man drei weiße Waschröcke übereinander, und zwar war der unterste kurz, der mittlere etwas länger und der oberste am längsten. Zwischen dem zweiten und dritten dieser Röcke wurde „Kaschmir“ genannte Schafwolle eingelegt, die bis zu den Knien reichte. Diese weißen Röcke waren entweder mit Schlingereien oder Häkelarbeiten versehen. Über dem Seidenrock trug man eine geblümte schwarze Seidenschürze. Dazu gehörten schwarzlederne Schuhe oder schwarze Samtschuhe.
Die Strümpfe wurden mit einem weißleinenen Band an den Füßen festgeknüpft, da es dazu noch keinen anderen Behelf gab.
Der Zopf wurde mit einem großen Kamm aufgesteckt. Die Mädchen gingen barhäuptig. Den Hals schmückte eine auf schwarzsamtenes Band aufgestickte Silberkette mit silbernem Kreuz. Das Hemd war kurzärmelig. Das Leibchen bestand aus farbigem Samt. Um den Hals trug man ein eng anliegendes seidenes Halstuch, in Falten gerafft, das rückwärts über Kreuz gebunden war und wovon zwei Zipfel breit auf den Röcken auflagen. Das eng an den Leib sich anschmiegende „Nettröckel“ bestand aus Seide, Samt oder Stoff. An das „Nettröckel“ war ein Schößel angenäht, so dass es hinten etwas länger war als vorne. Das Schößel war etwa 15 Zentimeter breit. Auf Seide wurden Samtbänder als Zierde aufgenäht, auf Samt aber Perlenstickerei, wovon es sehr schöne Muster gab.
Zum Kirchgang trug man ein schwarzseidenes Kopftuch mit ebensolchen Fransen. Auch die farbigen Kopftücher wiesen schwarze Fransen auf. In der linken Armbeuge trug man das Gebetbuch, und um die linke Hand war der Rosenkranz gewunden. In der rechten Hand trug man ein geschlungenes, auseinandergefaltetes Sacktuch. Es war so gefaltet, dass es zur Vervollständigung des Ganzen als notwendig empfunden
wurde.
Zum Tanz trug die Frau ein Kopftuch von violetter Farbe. Das Hemd war mit einer Halskrause versehen und mit einer Schlingerei am Halse festgeschlossen. Die Halskette trug man wie beim Kirchgang, das Leibchen war aus farbiger Seide oder aus Samt. Darüber ein dreieckiges Halstuch aus Kaschmirwolle oder aus Seide und mit Fransen, doch dann etwas kürzer. Der oberste Rock bestand aus einem gemusterten, hauchigen Gewebe, das Mullrat genannt wurde. Ferner eine schwarze Schürze, die mit Einsatz und Spitzen versehen war. Das Sacktuch hielt man gefaltet an sich, beim Tanz auf der Schulter des Tänzers. Dazu kamen gestickte weiße Strümpfe und Stoff- oder Samtschuhe in schwarzer, blauer oder roter Farbe.
Die Waschröcke wurden so in große Falten gefaltet, dass die Falten ineinander fielen und so ein einheitliches Ganzes bildeten. Der Rock wurde zuerst gestärkt, dann gut feucht gebügelt und noch feucht in Falten gezogen, indem er oben und unten angehalten und gezogen ward, der Breite entsprechend, die man vor Augen hatte. Da unsere Mädchen drei Unterröcke (weiße Waschröcke) trugen, bedurfte es eines ganzen Nachmittags zu ihrem Bügeln. Die drei Unterröcke wurden vormittags beim Kirchgang und nachmittags beim Tanz getragen. Vor jedem Anziehen wurden die Röcke neu gewaschen und neu gebügelt. Man kann sich leicht vorstellen, was das bei einer Kirchweihe bedeutete, die drei Tage lang dauerte.“
Anlässlich des Heimatortstreffens und anderer Gelegenheiten gedenken die Lenauheimer auch heute noch ihrer Ahnen, und die Jugend sowie die Erwachsenen kleiden sich in der oben beschriebenen oder minimal abgewandelten Tschatader Tracht. Heute sind es traditionsliebende Menschen, die die Jugend anleiten und dafür Sorge tragen, dass auch sie unsere Tracht in ihrer Schönheit pflegt. Dabei ist die Tracht der Mädchen und Frauen heute bequemer und wird zweckentsprechend
getragen.
Trachten haben nicht nur musealen Wert, wie im Museum in Lenauheim zu sehen, sondern vermitteln auch ein Gefühl von Heimat, sie bringen zum Ausdruck, wo man hingehört. Trachtenpflege ist Traditionspflege. Die Heimatortsgemeinschaft Lenauheim setzt sich dafür ein, dass die Tracht weiterhin gepflegt und an die nächste Generation weitervermittelt wird.
Dieser Bericht wurde auch bei Radio Temeswar in der „Sendung in deutscher Sprache“ ausgestrahlt. Die Mundartautorin Helen Alba las ihn im Rahmen von „Daheim und unterwegs – Durchs Banat mit Helen Alba“: