Da meine Eltern aus dem Banat stammen, meine Mutter aus Lenauheim, mein Vater aus Grabatz, war das Banat für mich von klein auf ein bestimmendes Thema. Kevin Back, Kulturreferent des Kulturwerks Banater Schwaben e.V., stellt sich vor:
Es fängt schon damit an, dass „Schwowisch“ meine eigentliche Muttersprache ist; wirklich „herrisch“, also hochdeutsch, zu sprechen, habe ich erst im Kindergarten gelernt. Außerdem war das Banat durch die Erzählungen, besonders der Großeltern, aber auch der Eltern und der Verwandtschaft, immer präsent. Und natürlich will man dann irgendwann auch mehr wissen über diese Region, von der da immer gesprochen wird.
1996, mit drei Jahren, war ich das erste Mal mit meinen Eltern und Großeltern im Banat, in Lenauheim. An diesen ersten Banat-Besuch habe ich nur noch bruchstückhafte Erinnerungen: an den Gänsedreck im Hof unserer Gastgeberfamilie, an das „Plumpsklo“, daran, dass ich mit meinem Opa am Lenauheimer Bahnhof war und er mir vorgelesen hat,
was an einem Strommast geschrieben stand: „înaltă tensiune“ – Hochspannung.
Danach war ich lange Zeit nicht mehr im Banat, habe, bedingt durch Kindergarten und Schule, den „schwowischen“ Dialekt weitgehend abgelegt, auch zuhause. Um mich herum haben, außerhalb der Familie, entweder alle Hochdeutsch oder den alemannischen Dialekt der Gegend gesprochen (ich bin in Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg aufgewachsen und zur Schule gegangen). Als junger Mensch habe ich mich daran angepasst – „Schwowisch“ war davon einfach zu verschieden. Und wer will schon bei den Freunden durch einen ganz anderen Dialekt auffallen?
Erst 2007 bin ich wieder nach Rumänien gefahren, mit meinem Vater und meiner Oma, um die Verwandtschaft in Großwardein/Oradea zu besuchen. Das war ein schöner Besuch und alle waren sehr nett, nur mit der Verständigung hat es nicht so gut geklappt. Ich konnte kein Rumänisch und war immer darauf angewiesen, dass man mir übersetzt. Gleichzeitig war dieser Besuch ein kleiner Kulturschock. Das fing schon mit der Bettwäsche an, die stark nach Mottenkugeln gerochen hat – ich habe dann darauf bestanden, mit meinem Vater in einem Hotel zu übernachten und nicht, wie meine Oma, bei den Verwandten zu
bleiben. Außerdem hatte ich damals ein besonderes Erlebnis, an das ich mich heute noch erinnern kann: Bei einer morgendlichen Fahrt vom Hotel in die Stadt stieg brauner Dampf aus den Gullys auf, wahrscheinlich, weil die Leute, die morgens zur Arbeit aufbrachen, gerade duschten.
Die Fahrt von Oradea zurück nach Deutschland führte dann durch das Banat – das erste Mal, dass ich die Gegend wirklich bewusst wahrnehmen konnte. Und schon damals hat
es mir gefallen, all die Orte mit eigenen Augen sehen zu können, von denen ich in Erzählungen schon so oft gehört hatte. Doch auch auf dieser Fahrt durch das Banat habe ich für mich damals verwunderliche Dinge erlebt: Landstraßen mit riesigen Löchern im Asphalt oder teilweise gar noch mit Kopfsteinpflaster, Hausgeflügel auf den Straßen in den Dörfern und einiges mehr. Alles war so eindrücklich, dass es dann für mich erstmal erledigt war, mit dem Banat.
Doch als ich 2012 in Freiburg zu studieren begann (und auch schon in der Zeit davor, noch in der Schule) kam das Interesse am Banat wieder. Außerdem hatte ich nun Gelegenheit, an der Uni Rumänisch-Kurse zu besuchen, denn Rumänisch wollte ich von klein auf immer schon gerne lernen. Rumänisch war nämlich bei mir zuhause immer nur
dann gesprochen worden, wenn ich nicht verstehen sollte, worum es geht. Das war dann natürlich nicht mehr möglich. Etwa zur selben Zeit habe ich begonnen, wieder mehr „Schwowisch“ zu sprechen. Heute bin ich stolz auf den Dialekt. Gleichzeitig bin ich zwischen 2011 und 2019 jedes Jahr im Banat gewesen. Meistens um mich, zusammen
mit meinem Opa, um die Gräber der Verwandten und Vorfahren auf dem Lenauheimer Friedhof zu kümmern. Oft haben wir aber auch noch kleine Ausflüge gemacht, zum Beispiel nach Herkulesbad, Maria Radna oder ans Eiserne Tor.
Auch im Geschichtsstudium habe ich mich immer mehr auf Ostmitteleuropa spezialisiert. Meine Hauptthemen waren Geschichte der Habsburgermonarchie und ihrer Nachfolgestaaten sowie rumänische Geschichte. Wenn es ging, habe ich den Fokus dabei möglichst auf das Banat gelegt. Und da das Banat vor 1918 innerhalb der Habsburgermonarchie die meiste Zeit zu Ungarn gehört hat, habe ich gegen Ende meines Studiums auch noch begonnen, Ungarisch zu lernen, um noch tiefer in die Banater Geschichte eintauchen zu können. Und die Beschäftigung mit der Banater Geschichte hat dazu geführt, dass ich eine Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft beim „Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa (IVDE)“ bekommen habe, was meine Kenntnisse weiter vertieft hat. Außerdem habe ich mit Kollegen vom IVDE meine bisher letzte Banat-Fahrt unternommen, eine Forschungsreise im Frühjahr 2019, die von Freiburg aus zur Partneruniversität nach Szeged und von dort ins rumänische und serbische Banat geführt hat.
Die Beschäftigung mit der rumänischen Sprache hatte außerdem zur Folge, dass ich zwei Reisen ans Schwarze Meer unternommen habe. Eine erste Reise habe ich aus Anlass einer rumänischen Sprach-Sommerschule im Jahr 2014 unternommen. Mit Kommilitonen ging es damals per Bus nach Temeswar und von dort mit demZug weiter über Craiova und Bukarest nach Mangalia ans Meer. Die zweite Reise führte 2017 ebenfalls von Freiburg nach Mangalia, allerdings vollständig mit der Bahn, auf der Strecke durch die Karpaten bzw. auf dem Rückweg durch das Schil-Tal. Auf diesen beiden Reisen habe ich viel über Land, Leute und Mentalität in Rumänien erfahren (im wahrsten Sinne desWortes) und viele
schöne Eindrücke gewonnen.
Außerdem bin ich seit 2017 landsmannschaftlich aktiv. Bei den Heimattreffen der Lenauheimer und den Heimattagen der Landsmannschaft in Ulm war ich oft mit meiner Familie dabei. Im Jahr 2017 habe ich mich dann in den Vorstand der HOG Lenauheim wählen lassen, um mein Wissen und meine Interessen auch dort einzubringen. Kurz vor Abschluss meines Geschichtsstudiums (Titel meiner Masterarbeit war „(De-) Konstruktion einer Region – Das Banat im Kronprinzenwerk“) habe ich im März 2021 durch Zufall die Ausschreibung der Kulturreferentenstelle in der Banater Post entdeckt, auf die ich mich erfolgreich beworben habe.