Das Fußball-Einmaleins auf der „Hutwed“ gelernt

Mit der UMT-Elf feierte Peter-Heinrich Taugner große Erfolge, und auch beruflich bildete er sich weiter, indem er seinen Meisterbrief machte. Als Spieler wechselte er später zu Electromotor Temeswar und von dort zu Auto Temeswar. Hier wurde ihm nach einer gewissen Zeit der Posten eines Managers der Fußballmannschaft angeboten. Fußballerisch war er bis zu seiner Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1988 tätig.

Im sportlichen Bereich brachte er sich auch hier wieder aktiv ein, indem er sich in den Vorstand der Heimatortsgemeinschaft Lenauheim wählen ließ und als Sportreferent Verantwortung übernahm. Es ist eine Aufgabe, die einerseits unserem Landsmann viel Freude macht, und von der andererseits der Vorstand profitiert. Denn mit Peter-Heinrich Taugner verfügt er über einen kompetenten Referenten, der die traditionellen Fußballturniere der HOG verantwortet.

Zig Jahre hat er mit Unterstützung von Landsleuten in mehreren Orten die Fußballturniere musterhaft organisiert, die sich einer positiven Resonanz erfreuten. Leider hat die Pandemie uns davon abgehalten, die Tradition weiterzuführen, jedoch hegen wir die Hoffnung, dass es irgendwann weitergeht. Die Vorstandsmitglieder stehen in diesen Zeiten in engem Kontakt, und so kam es, dass wir irgendwann auf das Thema Gassenfußball zu  sprechen gekommen sind. Da ich, Werner Griebel, wusste, dass in der „Jula-Gass“ in Lenauheim viele Kinder auf der „Hutwed“ Fußball spielten, bat ich Peter-Heinrich Taugner, darüber zu berichten, um es für die Leser festzuhalten. Sein Erinnerungsbericht wird leicht gekürzt nachfolgend veröffentlicht:

Eine Erinnerung an den Straßenkick in Lenauheim in den 1960er Jahren

In den 1960er Jahren gab es sehr viele Kinder in der „Jula-Gass“. Die Jungs insbesondere liebten Fußball und spielten auch selbst gerne. Ich will sie mal aufzählen: Norbert und Roland Hunyar, Karl Endress, Ghiţă Tona, Emil Boscu, Peter Taugner, Hans Färber, Walter Jung, Nikolaus Lind, Hans Kauten, Hans Taugner, Anton Heckel, Heinrich Lind, Brîncoveanu, genannt Pele, und die Söhne des Schafhirten, die sich übrigens wie wir alle Namen großer Fußballer zugelegt hatten, wie Didi und Vava oder Fritz Walter, Uwe Rahn, Uwe Seeler, Karl-Heinz Schnellinger und Helmut Haller. Sie waren die Fußballgrößen der damaligen Zeit und unsere Vorbilder.

Durch die angenommenen Namen wollten wir in unserer kindlichen Naivität auch so spielen wie sie. Dies ist uns nicht immer gelungen, aber wir haben uns vieles von ihnen abgeschaut und von ihnen gelernt. Das größte Problem für uns Kinder war eigentlich der Ball. Dazu muss man wissen, dass in den 1960er Jahren die Kinder nur selten richtige Fußbälle hatten. Zum einen waren sie teuer und zum anderen waren sie nicht so leicht zu bekommen. Es waren meistens Gummibälle, die wir benutzten, Lederbälle hingegen waren
seltener. Mein Ostergeschenk war fast jedes Jahr ein lederner Volleyball, den meine Eltern auf dem Flohmarkt in Temeswar kauften. Wenn der Ball aufgerissen war, nähte ihn mein Taufpate, der Schuster von Beruf war, und dann wurde er gleich auf dem Hof ausprobiert.

Jugendliche aus Lenauheim auf dem Dorfsportplatz in den 1960er Jahren (Foto: Archiv der HOG Lenauheim)

Kein einziges Brett am Tor zur Straße war da mehr sicher. Als Übung hatte ich immer auf das Brettertor geschossen. Die Schüsse waren so heftig, dass öfters die Nägel, mit denen das Tor zusammengenagelt war, rausflogen. Mein Vater musste die Bretter immer wieder befestigen. Er schimpfte zwar, aber ich machte weiter. Zum gemeinsamen Fußballspiel
trafen wir uns auf der Wiese, der „Hutwed“, auf unserem berühmten „Rasendreieck“. Es reichte, wenn einer von uns nur einmal den Ball in die Luft schoss, und schon waren die
Jungs da. Wir hatten ein Gespür dafür entwickelt, und das funktionierte immer.

Heute würde man eine WhatsApp-Nachricht schreiben, um die Jungs zusammenzurufen. Man spielte barfuß, denn Sportschuhe waren zu teuer und im Ort auch nicht erhältlich. Für uns war es ganz normal, so zu spielen, wobei sich die Füße mit der Zeit daran gewöhnten. Es wurde auf kleine Tore gespielt, die mit größeren Steinen markiert waren. Es waren also keine richtigen Tore. Ein älteres Ehepaar, das gegenüber der „Hutwed“ wohnte und meistens auf der „Gassebank“ saß, schaute uns immer zu. Es war der Vetter Sepp und seine
Wes Kathi, im Dorf Käthreins genannt. Unsere Spielfläche wurde mit der Zeit zu klein und so zogen wir auf die große Wiese um. Da entfernten wir die Disteln und bauten uns selbst schöne, stabile Holztore. Ab diesem Zeitpunkt mussten wir uns nicht mehr darüber streiten, ob der Ball übers Tor geschossen wurde oder an den Pfosten geprallt ist.

In dieser Zeit ging es auch los mit Fußballspielen um den Straßen-Pokal. Da wir keinen Pokal hatten, wurde um einen kleinen Geldbetrag gespielt. Von beiden Mannschaften
wurden je sechs Lei eingesammelt. In ein Taschentuch gebunden, wurden die zwölf Lei an einem sicheren Platz aufbewahrt und nach dem Spiel der Siegermannschaft übergeben.

Eines habe ich vergessen: Jede Fußballmannschaft durfte einen älteren, erfahreneren Spieler „kaufen“ und beim Pokalspiel einsetzen. Dieser bekam dafür einen Leu. So viel kosteten damals zwei Kugel Eis bei der Wes Wawi. Sie stand im Dorfzentrum mit ihrem Eiswägelchen und bot die von ihr selbst hergestellte Leckerei feil. Die Mannschaft, die gewonnen hatte, war überglücklich. Der Sieg wurde auch gefeiert, und zwar mit einem
„Krachel“, also einer Limonade.

Wir gingen zum Fußballspielen auch in die Nachbargemeinde Grabatz, selbstverständlich barfuß. Dort zogen wir vor dem Spiel die Tennisschuhe an – es war ja auswärts und nicht daheim –, trugen das Spiel aus und gingen danach wieder barfuß zurück nach Lenauheim. Diese Zeiten bleiben mir für immer in Erinnerung, weil ich damals auf der „Hutwed“ das Einmaleins des Fußballs lernte. Es war das Sprungbrett für meine weitere Fußballerlaufbahn.

Mit 14 Jahren durfte ich dann schon bei der „großen“ Lenauheimer Mannschaft mitspielen. Die spielte auf dem Dorfsportplatz, das nach den damals geltenden Normen gestaltet war. Der Platz war umzäunt und hatte ein Häuschen zum Verkauf der Eintrittskarten. Es gab eine Sitztribüne, unter der sich die Umkleidekabinen und Toiletten befanden. Bei der Dorfmannschaft mitspielen zu dürfen, war für mich als junger Mensch eine große Ehre.

In späteren Jahren setzte ich meine Fußballerlaufbahn in Temeswar fort. Das Fußballspielen auf der „Hutwed“ war Teil unserer Lebenswelt und unseres Alltags in einem Banater Heidedorf. Es war ein sinnvoller Zeitvertreib, wir machten viel Bewegung und waren an der frischen Luft, knüpften soziale Kontakte und schlossen Freundschaften. Diese Freizeitbeschäftigung prägte unsere Kindheit und Jugend und bleibt uns in guter Erinnerung.

Heinrich-Peter Taugner