Vor 71 Jahren wurden aus Lenauheim Menschen gegen ihren Willen deportiert

Der Monat Juni ist in der Regel, vom klimatischen hergesehen, ein warmer Sommermonat. Die Temperaturen gehen schon Mal für einige Tage auch über die 30 Grad im Schatten. Dann sagt man einfach, da gibt es doch Mittel dagegen: man geht in das kühle Haus, in die kühle Wohnung, man setzt sich unter den Sonnenschirm und genießt dabei vielleicht noch ein schmackhaftes Speiseeis. So macht man es heute, 71 Jahre nach der Deportation unserer Landsleute aus dem grenznahen Streifen von 25 km, im Banat auch.

71 Jahre ist eine lange Zeit, manch einer erreicht nicht einmal dieses Lebensalter von 71 Jahren. Andere wiederum werden über 90 Jahre alt und erinnern sich, solange sie leben an die Gräueltaten, die ihnen angetan wurden. Das Erlebte konnten die Erwachsenen von damals nicht vergessen, sie mahnen auch heute noch ihre Zeitgenossen, damit nie wieder so etwas passiert. Daraus lernen nur die Leute mit Charakter und Menschlichkeit, die anderen zeigen kein Verständnis für Humanität, sie führen weiterhin Kriege, Menschen werden vertrieben, verschleppt etc.

Auch Lenauheim war von dieser Verschleppung in den Bărăgan betroffen. Es mussten viele Bewohner den schweren Weg gehen, so auch Anna Bartole, Jahrgang 1930, mit ihrem Mann und zwei Kindern. Ein drittes Kind sollte sie noch auf dem Bărăgan entbinden. Ihre Abfahrt vom Bahnhof in Lenauheim war am Abend des 18. Juni 1951.

 

Am 20. Mai 2022 fand die Ausstellungseröffnung „Sklaven im Bărăgan“ im rumänischen Generalkonsulat in Stuttgart statt. Zu diesem Anlass hat Frau Anna Bartole, die mit 92 Jahren sehr aktiv im Kreisverband der Banater Schwaben Stuttgart ist, aus ihrem Erlebten in der Bărăgan-Deportation vorgetragen. Mit ihrer ausdrücklicheren Zustimmung hat sie uns freundlicherweise die Genehmigung zur Veröffentlichung ihres Vortrags, als Video und Text, erteilt.


Anna Bartole berichtet:

Ich komme aus dem Banat, Lenauheim. War 1951 – 1956 mit meinem Mann und 2 kleinen Kinder im Bărăgan: Giurgeni Noi/Rachitoasa. Wurde nachts von der Miliz geweckt, alles packen und an den Bahnhof. Konnten alles mitnehmen, was wir wollten, in einem Viehwagon.

Waren einige Tage unterwegs, als wir unser Ziel erreicht hatten, mussten alle raus – ausladen! Weit und breit nur Felder, mit einem Holzschild „Hausnummer 728“. Es war sehr heiß, einen Kilometer von der Donau entfernt. Dort haben wir unsere Wäsche gewaschen, zugleich auch unser Wasser zum Trinken genommen. Wir hatten mit unserem Nachbarn zusammen ein Loch gegraben, damit wir Wasser haben, um zu bauen. Holz mussten wir kaufen, Türen und Fenster bekommen wir. Lehm mit Weizenspreu wurde gemischt, das Dach mit Schilf oder Rohr gedeckt, so entstand unser kleines Heim.

Im Jahre 1953 hatten wir einen großen Schneesturm, konnten einige Tage die Wohnung nicht verlassen. Meine Schwiegermutter kam und nahm die Kinder mit nach Hause, natürlich nur über Winter. Aber sie waren nicht willkommen und Sie musste sie wieder zurückbringen. Unter freiem Himmel wurden wir unserem Schicksal überlassen. Wir hatten das ganze Jahr großes Glück, es hat nicht geregnet. Die ersten 2 Jahre waren zwar schwer, doch langsam ging es aufwärts. Wir hatten schon einen Arzt, die Kinder gingen zur Schule, auch gab es Kirchweihfeste. Mit der Zeit entstand ein richtiges Dorf, das ich niemals vergessen werde.

(Videoquelle: https://youtu.be/g2bhfYZooek von Cornel Simionescu-Gruber)


So ist es vielen Menschen ergangen, es wurden Ehen geschlossen, Kinder wurden geboren und viele der Deportierten fanden ihre letzte Ruhe in der Baragantiefebene. Heute findet man nur mehr vereinzelt Grabsteine unserer Landsleute auf den Feldern. Die damals neu angelegten Dörfer wurden wieder größtenteils abgerissen oder es entstanden Ruinen, die letztendlich mit dem Boden gleichgemacht wurden.

Es gibt einige Gedenkstätten, die nach 1989 zum Gedenken dieser Taten erinnern sollen. Sie sollen mahnen, dass so etwas nicht wieder passiert. Man kann nur hoffen, dass die Gedenkstätten ihren Zweck erfüllen.