Wallonen aus der Lütticher Gegend im Banat – Die Strasse von Trier nach Bingen wird auch heute noch „Ausoniusstrasse“ genannt, nach jenem römischen Dichter, der bereits vor über zwei Jahrtausenden die Schönheit dieser Gegend besang.
Genau an dieser Strasse, im südwestlichen Hunsrück liegt, umringt von fichtenbewachsenen Hängen, der wunderschöne Kurort Züsch. Zu den beliebtesten Ausflugszielen dieses Ortes gehört u.a der „Züscher Hammer“, ein längst zerfallenes Eisenwerk aus vergangener Zeit. Dieses wurde, unweit der Stelle , an der sich der Dom- und der Königsbach zum Altbach vereinen, auf der Gemarkung Züsch errichtet. Das im Jahre 1627 erstmals erwähnte Eisenwerk wurde während des 30 jährigen Krieges (1618 – 1648) bis auf die Grundmauern zerstört. Erst Ende des 17 Jh. wurde die Eisenindustrie durch Vogt Ernst Ludwig von Hunolstein, Verwalter der Herrschaft Züsch, wiederbelebt. Im Jahre 1694 schloss er mit Josef Remacle de Hauzeur einen Pachtvertrag zum Betreiben der Hütte über einen Zeitraum von 30 Jahren.
Der aus der Gegend um Lüttich stammende Hauzeur (1663 in Veviers + 1745 in Abentheuer) brachte im gleichen Jahr ca. 20 Familien katholischer Wallonen aus seiner Heimat nach Züsch. Es waren meist Holzfäller, Kohlebrenner, Erzgräber und Gießer, die teils in einsamen Waldhütten und teils Steffibaracken in der Nähe der Arbeitsstätten wohnten. Auf diese Weise entstanden zahlreiche Siedlungen im Hochwaldraum (z.B Schmelz oder Neuhütten). Eigens für die katholischen Wallonen ließ Hauzeur in unmittelbarer Nähe der Schmelze eine katholische Kirche errichten. An diese erinnert heute lediglich ein Steinkreuz mit der Inschrift: „In Gedenken an unsere Toten 1694 – 1784“.
Mit Hilfe seiner Landsleute und vielen Bewohner des Hochwaldes baute Hauzeur die Hütte von Züsch wieder auf, zeitgleich errichtete er auch Hütten in Damflos und Abentheuer. Das Eisenhüttenwerk von Züsch war, wie damals üblich, als Streuanlage konzipiert. Die Gesamtanlage umfasste ein Pochwerk, eine Schmelze (Holzkohlehochofen) und eine Holzkohlescheuer. Es entwickelte sich zum größten Eisenwerk des Hunsrücks und gilt nach heutigen Maßstäben als ein integriertes vorindustrielles Eisenhüttenwerk. Allmähliche Erschöpfung der Erzadem und der Umstieg von Holzkohle auf Steinkohle dürfte die Ursache für das Elend der Arbeiter gegen Ende des 18 Jh. gewesen sein. Einige von ihnen verließen bereits 17 53 den Hunsrück , um in Amerika ihr Glück zu suchen. Andere machten sich auf den Weg nach Ungarn und ließen sich dabei im Banater Bergland nieder.
Im Jahre 1766 zogen weitere Familien durch Wien ins Banat und siedelten in Csatad , dem heutigen Lenauheim Nachdem die Auswanderung unter Auferlegung von Auflagen (ein freier Bergmann musste 10% seines Erbes abgeben) Im Frühjahr 1791 offiziell gestattet wurde, kam es zur Massenauswanderung der sogenannten Barackenleute von Züsch. Die meisten von ihnen ließen sich ihres Berufes wegen im Banater Bergland um Steierdorf nieder. Aus der Nähe der Hunsrücker Eisenhüttenwerke siedelten dennoch ca. 70 Familien nach Csatad dem heutigen Lenauheim.
Es waren Kolonisten nicht ausschließlich welscher (wallonischer) Herkunft die hier zu Bauern wurden. All diese Familien stammen aus einem Umkreis von ca. 20 km um Morbach. Es waren natürlich auch französische Namen darunter wie Bideau (Bitto), Colling (Collin), Delwo, Balbler (Balbierer), Lefeve (Bohn-Lefeve), Mauber (Momper, Mumper), Soisson (Sossong), De Temple (Detampel), Dupree (Tipre), Tropcourt (Trukkur, Trokkur) und viele andere die sich sowohl in den Hunsrücker als auch in den ersten Lenauheimer Kirchenbücher wiederfinden.
Anfang des 19.Jahrhunderts bestand Csatad fast zur Hälfte aus Hunsrücker Einwohner. Etwa um das Jahr 1800 kam das Züscher Werk zum völligen Erliegen. Viele der zurückgebliebenen Barackenleute gingen nach Dillingen ins dortige Hüttenwerk. Heute stößt man in der gesamten Züscher Umgebung noch auf französische Namen. Es sind Nachkommen der 1694 angesiedelten Wallonen. Das Züscher Eisenwerk gilt heute als Vorgänger der großen saarländischen Eisenhüttenindustrie.
Alfred Ivanov