„Ich habe Glück gehabt“, sagt der Mann im Rollstuhl und erzählt von seinem Fluchtversuch aus Rumänien, bei dem er beide Beine verlor. Norbert Koch spricht sehr sachlich über dieses Ereignis, das mittlerweile 18 Jahre zurückliegt.
„Ich habe damals niemandem davon erzählt“, sagt der 35-Jährige. Sein Vorgehen bei der Flucht klingt äußerst kühn: „Ich habe versucht, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen“, blickt Koch zurück. „Das schaffe ich schon“, habe er sich gedacht. Er schaffte es nicht, der Zug riss ihm beide Beine ab. „Aber ich habe überlebt“, sagt Koch. Wegen des Unfalls musste er auch nicht ins Gefängnis. Bereut hat Norbert Koch den Fluchtversuch nie: „Ich habe eine Dummheit gemacht, aber dazu stehe ich“, sagt der 35-jährige. Dabei klingt er keineswegs verbittert, sondern irgendwie zufrieden. So wie jemand, der in seinem Leben noch Großes vorhat.
„Die Paralympics 2008 in Peking“ nennt Koch, der 1990 von Lenauheim aus Rumänien nach Karlsruhe kam, sein größtes Ziel. Seine Disziplin: Handbiken. Dabei fährt der 35-Jährige ein eigens für behinderte Menschen umgestaltetes Fahrrad. Gelenkt und gefahren wird mit den Händen beziehungsweise Armen. „Ich trainiere sechsmal die Woche“, erzählt Koch und nimmt eine Gabel voll Salat mit Putenbruststreifen von seinem Teller.
Unweigerlich lenken solche Aussagen die Augen des Gesprächspartners auf seine Oberarme. Im Armdrücken möchte man sich nun wirklich nicht mit ihm messen. Das Handbiken hat Koch erst im vergangenen Jahr für sich entdeckt. Auf dem Hockenheimring fuhr er erstmals Probe und dachte sich: „Das Ding ist schnell.“ Auf rund 40 Stundenkilometer kann er das Handbiken beschleunigen, das er mittlerweile sein eigen nennt und liebevoll als „mein Rennrad“ bezeichnet. Erste Erfolge kann er auch schon vorweisen: Bereits im vergangenen Jahr wurde er in seiner Klasse deutscher Meister.
Nächstes Ziel ist nun die WM im September in der Schweiz. „Ich hoffe, dass ich die Qualifikation schaffe“, sagt Norbert Koch und blickt sich im Lokal „Multi Kulti“ um, in dem viele Menschen ihre Mittagspause verbringen. Norbert Koch kommt mit Freunden oft hierher. „Wir gehen häufig aus, um gemütlich etwas zu essen und zu trinken“, sagt Koch, der bei Siemens als Fachprüfkraft arbeitet. Auch ins Kino geht er gern oder in die Disco. „Damit habe ich keine Probleme“, bekräftigt er und fügt energisch hinzu: „Das Mitleid mancher Leute mir gegenüber ist völlig fehl am Platz.“
Etwas anderes sei Hilfsbereitschaft, die nimmt Norbert Koch gerne an. „Meine Eltern helfen mir etwa beim Putzen“, erzählt der 35-Jährige. „Das geht so einfach schneller, als wenn ich das selbst mache.“ Ansonsten ist er eigenständig, lebt in Hagsfeld auch in seiner eigenen Wohnung, fährt Auto. „Am wichtigsten ist doch, dass man mobil ist“, sagt Koch und deutet auf seinen Rollstuhl.
Der Salat ist aufgegessen, Norbert Koch packt seinen Laptop aus. Zahlreiche Bilder hat er darauf gespeichert, die ihn beim Handbiken zeigen – bei Wettkämpfen oder beim Trainingslager in Portugal. Dort war er mit seinen Kollegen vom Verein „Rehability“. Sie alle hätten ein gutes Verhältnis untereinander, sagt Norbert Koch. „Trotzdem ist jeder, der vor mir fährt, ein Konkurrent für mich“, so der Handbiker ehrgeizig. So ehrgeizig sind auch seine Ziele: „Ich sage nicht, dass es genügt, dabei zu sein, ich will auch eine Medaille.“
Foto und Text mit freundlicher Genehmigung von: Norbert Koch