Weihnachten

Für unsere Landsleute sowie für alle Besucher der Internetseite der HOG Lenauheim, bringen wir einen Ausschnitt aus dem Roman „Regina unsere Mutter“ von unserem Lenauheimer Landsmann Hans Wolfram Hockl (*10.02.1912 in Lenauheim und +12.09.1998 Linz).

winter02-01 Es ist eine Beschreibung der Weihnachtszeit aus vergangenen Tagen. Es ist eine Erinnerung und für die jüngere Generation, ein Einblick wie unsere Ahnen die Weihnachten begingen und was es an Geschenken gab.

Weihnachten war nahe und noch immer ging der Krieg im Süden weiter. Die Türken, hieß es, hatten sich in Adrianopel verschanzt und verteidigten sich zäh.

Am Heiligen Abend räumte Regina die Kammer auf und schob ein Blech mit Backerei in den Ofen. Den heizte man von der Küche aus und die Kammer auf der anderen Seite ebenso, dort war Baba Dafina beim Brotbacken, ab und an kam sie herüber. Ich bin schon so neugierig, Regina, was du backst. Regina verstand nicht, was sie noch hervorsprudelte, als aber die Baba in die Luft schnupperte und sagte, noch nie habe es in ihrem Hause so fein geduftet, lachte sie, da kam auch der Alte herein und blähte die Nasenflügel. Immer trug er die Pelzkappe auf dem Kopf, auch wenn er am warmen Ofen hockte, er machte es wie die Rumänen in Pesak, die sagten, was gut ist gegen die Kälte , das ist auch gut gegen die Hitze, und sie trugen die Pelzkappe auch im Sommer – naja, weil sie keinen Hut hatten, die waren ja so arm. Eh! Machte Dedo Naum gedehnt, es duftet hier wie im Palast des König David.

Konrad setzte sich ihm auf die Knie, reiten wollte er wie auf einem großen Pferd, so wie sein Vater geritten war in Hatzfeld, das hatte ihm die Mutter schon oft erzählt. Ja, im Winter, wenn die Pferde keine Arbeit gehabt haben, dann hat er sie gesattelt, da sind sie aufgestiegen, das eine Pferd, den Furjus, das hat er geritten, den Fuxi hat der Martin Onkel geritten, dann sind sie aus der Sauergasse, in die Mainzergasse, in die Trierergasse, in die Luxemburgergasse und dann auch noch auf die Hutweide rund ums Dorf herum. Konrad ritt auf Dedo Naums Knien rund um Hatzfeld herum, durch alle Gassen, er lachte aus vollem Hals, dann viel er in den Schnee und lachte, nur wußte er noch nicht, was das war, Schnee.

Regina legte ein schweres Leintuch über den Tisch. An der Wand stand ein breites Bett mit Federkissen hoch hinauf, daneben die Wiege, in der Nacht hatte die ihr Platz hinter dem Ofen. Als auch die Backerei und das gedörrte Obst aufgetragen waren, Zwetschken und Birnen und Apfelschnitzen, naschten sie miteinander und warteten auf die Dämmerung. Baba Dafina räusperte sich und sang mit zitternder Stimme bulgarische Kirchenlieder, da fiel Regina das Weihnachtsfest bei ihrer Herrschaft in Pesak ein. In Öcsis Zimmer stand ein Tannenbaum, seine Spitze reichte bis an den Plafond. Die Gräfin hatte ihn geschmückt. Silberketten schlang sie um die Zweige, Salonzucker hing sie darauf wohl hundert Stück und goldene Sterne. Neben dem Baum stand ein Tisch mit den Geschenken für Öcsi, auch die Herrschaften hatten sich gegenseitig reich beschenkt. Die schöne Perlenkette! Daheim hatten sie keinen Christbaum gehabt. Beschenkt wurden bloß die Kinder – recht bescheiden: Äpfel, Nüsse, haselnüsse, Mandeln, feigen, das war schon beinah zu viel. Mit zwölf Jahren hatte sie nichts mehr bekommen, da war sie ja kein Kind mehr, da war sie schon die kleine Magd, die kleeni Maad. Sie stand immer unten, die letzte in der Reihe, wenn sie den Eltern Glück wünschten zum Namenstag, zu Neujahr. Phitt sagte seinen Vers als erster, dann Lisbeth, dann Heinrich, dann Susi, dann Gertrud, dann Martin, dann sie. Auf einmal waren die Eltern nicht mehr da, im selben Jahr waren sie gestorben, im Frühjahr der Vater, im Herbst die Mutter.

Regina nahm das Gebetbuch und sang das Lied, das sie daheim am Heiligen Abend gesungen hatten. Die Alten hörten ihr zu, sie verstanden, es war ein Lied vom Erlöser.

Der Heiland ist geboren, freu dich, du Christenheit.

Sing noch, sagte Baba Dafina.

Regina schlug das Gebetbuch zu. Sie konnte nicht mehr singen. Es war Krieg und wo war Luis?

Konrad griff nach dem Teller, er kippte, die Kerze erlosch. Regina zündete sie wieder an. Der Blick von Baba Dafina hatte sie fast erschreckt. Die dachte sich da wieder weiß Gott was, abergläubisch wie sie war. Ein Unglück.

Und es geschah zu Bethlehem.

Warum hatte Luis noch nicht geschrieben? Niemand hatte geschrieben, Martin nicht, sie wusste es von Frieda, auch Phitt nicht, sie wusste es von Naani. Wahrscheinlich waren sie nicht mehr in Tirnowo. Wenn sie nur nicht in den Krieg mussten!

Frieden den Menschen auf Erden

In dieser Stunde denkt Luis an sie. An Ludwig, an Konrad. An Ludwig? Er denkt an ein Mädchen. Regina, es wird ein Mädchen, noch nie hab ich mich geirrt. Wie wenn er schon ein Dutzend Kinder hätte und alle wären ihm nach Wunsch geraten.

Am ersten Weihnachtstag zogen schwarze Wolken herauf, die Sonne warf eine schräge Strahlenflut über das Land. Es war noch kein Schnee gefallen, jetzt kündigte er sich an. Nein, es wurde wieder wärmer, in Strömen begann es zu regnen. Auch am zweiten Weihnachtstag regnete es. Regina versorgte die Büffel, die Hühner und Gänse, die Puikel und Enten. Sie verließ das Haus nicht, und aus dem deutschen Dorf kam nur Frieda zu Besuch. Dann war Regina wieder allein, Konrad spielte mit zwei Kukuruzkolben auf dem Fußboden und ließ sie vor dem Wagen galoppieren, seine feurige Pferde, die waren scheu geworden und setzen über den Graben, jagten dahin, er aber, er war schneller, auf den Wagen schwang er sich hinauf und zügelte mit starker Hand die wilde Pferde.

Wie sein Vater!

Das Neujahrsfest und das Dreikönigsfest gingen vorüber, auch das bulgarische Neujahr, die bulgarischen Drei Könige, der Januar näherte sich dem Ende. Es war noch immer kein Schnee gefallen, dafür ging der Wind eiskalt über die erstarrten Fluren. Eines Tages, gerade als Regina den zappelnden und quiekenden Ludwig badete, ging die Tür auf, Luis trat herein.